Invoke The Insult – You Can Trust | Review by Mensch-Maschinen-Musik

Mit  Invoke The Insult tritt eine absolute Newcomer-Formation aus der beschaulichen schwedischen Stadt Göteborg in Erscheinung. Bislang fielen sie einzig und allein durch einen gekonnten “Snake Bite”-Remix für das Projekt Astma auf dem im letzten Jahr erschienenen Doppel-Album “600 Pounds Of Body” auf.

Jedoch veröffentlichten sie sogar 2012 ein Promo-Album mit zehn Tracks unter eigener Hand. Mit You Can Trust erscheint nun das erste offizielle Album beim exotischen EBM/Electro-Label EK Product und beinhaltet 12 Tracks.

Das Projekt setzt sich in erster Linie aus den beiden Protagonisten Jonas & Klas zusammen, die sich schon sehr lange kenen und bereits eine Menge Erfahrung in elektronischer Klanggestaltung besitzen, in erster Linie inspiriert von gängigen Oldschool EBM-Projekten. Eine Fan-Basis muss jedoch erst noch geschaffen werden, man darf jedoch gespannt sein was dieses Album wohl zu bieten hat.

Der erste Track „Introvert“ beginnt sogleich mit einigen noisig-zischenden Flächensynths und sporadischen Klangeffekten. Eine dick aufgetragene Kickdrum und eine verhallende Snare sorgen für einen atmosphärischen Dark Electro-Rhythmus. Stark Vocoderverzerrte Vocals und langsame Bassläufe gliedern sich ins Konstrukt mit ein. Der Track möchte Spannung erzeugen, zieht sich jedoch ganz schön hin. Eine Leidenschaft für Klangspielereien ist zu vernehmen, jedoch scheint das Ganze zu sehr in seiner Monotonie zu versinken. Mit atmosphärischen Pads und einer hochtönigen Sägezahnsequenz geht es mit „Drowning“ weiter. Während der Part äußerst digital klingt ergänzt sich ein eher analog klingender Basslauf hinzu, der auf einem Ton zu verhallen scheint. Die Vocals und die Klanggestaltung erinnern stark an Projekte wie Plastic Noise Experience & Seven Trees. Der Dark Electro der 1990er Jahre scheint eine große Inspiration für ITI zu sein wobei es dem Hörer auf Grund der Langatmigkeit schwer gemacht wird sich darauf einzulassen. Nichts desto trotz ist daraus eine gekonnt eingespielte Nummer entstanden. Mit starkem FM-Syntheselauf und aggressiver Stimmung geht es bei „Uneven Terms“ deutlich härter zur Sache. Die Rhythmik konzentriert sich auf eine Bassdrum im Presslufthammertakt während stark verzerrte Vocals die Aggressivität noch stärker verdeutlichen. Allerdings scheint das Gesamtgemisch nicht so wirklich miteinander harmonieren zu wollen, so dass auch die auf einem Ton verhallenden Sägezahnsynths zur Mitte hin eher störend wirken. Klangfarblich hätte da doch mehr rausgeholt werden können. Weiter geht es mit “Hatelunch” und schwurbelnden Basssynths sowie einigen Movie Quote Samples. Die Rhythmik wirkt dabei etwas minimalistischer, jedoch stimmiger als zuvor. Die Vocals sind nun nicht mehr ganz so verzerrt und somit verständlicher gewählt, gliedern sich auf diese Weise jedoch sehr gut in den Song mit ein. Während des Tracks treten immer wieder imposante Klangspielereien auf während die durchgezogene Hat auf Dauer leicht störend wirkt. Alles in allem ein guter Track, der gerne auch mal etwas verschnaufen hätte können. Aggressiv geht es auch bei „Deadrage“ zur Sache. Die stark verzerrten Sägezahnsynths sowie die Einfachheit innerhalb der Rhythmik nimmt schon einige „Rhythm’n Noise“-Züge an. Musikalisch geht der Basslauf etwas unter, die Vocals sind dafür auch zu dick aufgetragen. Der Mix hätte durchaus besser ausfallen können. Mit deutlich angenehmerem Basslauf geht es mit „Smoothly Insane“ weiter. Auch die minimalistische Drumspur steht dem Song ganz gut, während industrielle FX-Synths sich ebenfalls passend eingliedern. Gesanglich wirkt das Ganze recht angenehm während ein Wechselspiel zwischen unterschiedlichen Syntheinlagen auch stimmig wirken. Warum nicht gleich so?! Zur Halbzeit sorgt „With Me“ zunächst mal für schwurbelnde Soundeffekte und starke LFO-Spielereien. Noisige Drums und verzerrte, wütende Vocals formen einen verstörenden Song auf ein Neues. Auch hier scheint alles nicht ganz so sauber abgemischt zu sein, jedoch könnten sich geneigte Neuzeit-Hörer wohl sehr gut mit dem Song anfreunden. Hier wurde wohl bewusst auf eine möglichst starke Verzerrung im Instrumentalteil geachtet. Weiter im Takt geht es bei „Help Me Up“ erneut mit neuen Tönen und angenehmeren Bass- sowie Drumverläufen. Invoke The Insult scheinen sich wohl nicht ganz so einig zu sein welche Richtung sie nun einschlagen wollen. Im Gegensatz zu vorherigen Tracks wird dabei stärker auf Verzerrung verzichtet, aufstrebende Synthpads und angenehme Klangspielereien stehen im Vordergrund dieses gelungenen Songs. Bei “Move Along” wird zunächst langsam und gemächlich Spannung erzeugt. In erster Linie fallen hervorragend eingespielte Drums und angenehme Basssequenzen positiv auf. Der gesamte Song bleibt zu Beginn äußerst Tiefenlastig und entfaltet sich zum Mittelteil deutlich stärker. Das Timing der Vocals und eingespielten Leadsynths wirkt darüber hinaus leicht schwammig. Interessant ist jedoch der Wechsel von cleanen zu stark verzerrten Vocals inklusive unterschiedlicher Vocodereffekte. Weiter geht es mit “My Drug (Mental Metal)” und vertrauten Sequenzen. Straighte Drums begleiten diesen retrospektiven Sound über den ganzen Song hinaus. Dabei wirken die verzerrten Vocals äußerst stimmig und gliedern sich gekonnt ins Klanggebilde ein. Ebenfalls ist eine deutlich bessere Songstruktur zu vernehmen mit welchem sogar ein eingängiger Refrain auffällt. Vor Allem Freunde von Cat Rapes Dog werden ihren Spaß an diesem Song haben. Als nächstes tritt das technoide “Failing System” in Erscheinung. Dieses macht seinem Namen alle Ehre und wirkt streckenweise sogar wie ein Front Line Assembly-Track der 1990er. Gekonnte Basssynths und einschwingende Drumloops tragen einen großen Teil zu diesem gekonnt aufgenommenem Track bei. Die Effekte sind darüber hinaus noch ein feines Ergänzungsmittel. Zum Abschluß gibt es noch einen passend zum Intro genannten Song Namens “Extrovert”, der tatsächlich wie eine Reverse-Version dessen wirkt. Derbe Vocals und leicht übersteuerte Kickdrums sowie harte Synths sorgen für eine gelungen beklemmende Atmosphäre. Einen Bonus-Track gibt es mit “Free Falling” allerdings noch. Diese ist von Beginn an äußerst straight und erinnert an eine schräge NDW-Einlage der späten 1980er. Ein äußerst spaßiger, schneller Song mit angenehmer FM-Synthese und gut gewählten Sequenzen. Die verzerrten Vocals bleiben ein Erkennungsmerkmal.

Fazit:
Bei Invoke The Insult handelt es sich ohne Frage um ein äußerst gewöhnungsbedürftiges Projekt. Anfängliche Songs wirkten nicht sonderlich überzeugend, jedoch entfaltet sich das Album auch erst ab der zweiten Hälfte zu voller Größe. Manche Einlagen wirken zu experimentell und dadurch unmusikalisch, was vielleicht interessant für den Songgestalter ist, jedoch anstrengend auf den Hörer wirkt. Man hört auch durchaus heraus, dass die Einflüsse auf You Can Trust unterschiedlichste waren. Eine klare Richtung ist nicht zu vernehmen. Jeder Song hat dadurch seinen eigenen Einfluß womit dieses Projekt nicht ohne weiteres in eine Schublade gesteckt werden kann. Auf diesem Album können sich sowohl Freunde aus dem Industrial-, Dark Electro-, Rhythm’n Noise- oder EBM-Genre wieder finden. Viele Songs sind leider nicht ganz so gut abgemischt und die verzerrten Vocals nicht immer ganz stimmig. Jedoch sollte man sich das Album wirklich mal zu Gemüte führen, auch wenn man am Ende wahrscheinlich mit einigen Fragezeichen zurück gelassen wird. Doch die größten Projekte nahmen ihre schrägsten Anfänge.

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