Atropine – Assailant | Review by Mensch-Maschinen-Musik

13.12.2016 | Batwarrior242 |


EK Product gilt als facettenreiches, italienisches Label welches sowohl Newcomer wie auch Künstler fördert oder aus der Versenkung holt von denen bis dato nicht allzu viel bekannt war. Zu letzterem gesellt sich das Dark Electro-Projekt Atropine hinter dem sich die norwegischen Protagonisten Tomas Kulberg & Alex Jarlev verbergen. Von diesem ist bis dato nicht allzu viel bekannt, wenn man sich nicht gerade in den Untiefen düsterer elektronischer Klangatmosphäre der nur selten das Tageslicht erblickt aufhält. Auf der anderen Seite fand die erste Veröffentlichung mit “Angels Pass By Open Sewers” bereits 1996 statt und legte bereits zu diesem Zeitpunkt einen äußerst anspruchsvollen Charakter an den Tag. Daraufhin folgte noch um die Jahrtausendwende mit Master Raze eine weitere Veröffentlichung bis dann für knapp 15 Jahre Stille war. Erst 2014 ist es EK Product mit dem Album Recurring Nightmares gelungen die Künstler wieder zu Veröffentlichungen zu animieren und legt nun mit Assailant eine Schippe drauf. Man darf sich also auf satte 15 brachial neue Tracks auf einer vollen CD, umhültt von künstlerischem Cover-Artwork, freuen.

Das Album pirscht sich zunächst mit rauschenden Klängen und dem Song “Life Leash” leise heran. Begleitet von einigen Samples und Glitches beginnt sofort eine düstere Grundstimmung. Hauchende Vocals und basslastige Synthklänge laufen gemächlich vor sich hin. Verstörende Schreie und Noises umrunden diesen harten Industrial-Track. Es klingt nach einer erfrischenden Mischung aus Dive & Plastic Noise Experience. Besonders interessant fällt dabei der Drumanteil auf welcher streckenweise gar nicht vorhanden zu sein scheint, jedoch durch Anteilnahme von Bassdrum- & Snare-Samples eine stetig monotone Präsenz erfährt. Es handelt sich um eine wahrlich schräge Nummer voller Dissonanzen und Disharmonien was aus dem Grund vielleicht nicht jedermanns Sache sein könnte. Ein hoher künstlerischer Anteil ist dem Ganzen jedoch nicht abzusprechen. Weiter geht es mit dem gleichnamigen Albumsong welcher bereits zu Beginn durch wobbelnde Drums und Synthpassagen zum Schunkeln einläd. Zischende Klänge und hochfrequente Sweeps sind ebenso ein Teil davon wie angepasste Noises und Glitches. Die Vocals errinern hierbei sehr stark sowohl an neuere wie auch an ältere Skinny Puppy-Songs. Zur Mitte hin wird dann noch stark mit LFO und diversen Filtereinstellungen experimentiert. Alles in allem ein äußerst interessanter Klangaufbau den man so nicht alle Tage zu hören bekommt. Etwas Drum’n Bass-lastiger geht es zu Beginn mit “Scab Rapture” weiter. Nachdem zunächst Drums dominieren wird diese Dominanz schnell durch eine aggressive Bassline im klassischen EBM-Stil ergänzt. Die verzerrten, schreienden Vocals kommen energisch und deutlich stark zum Ausdruck. Eine monotone Nummer, welche dennoch eine effektive Grundbasis vertritt. Das besondere sind abermals die immer wieder im Songverlauf eingliedernden Noise- & Glitcheffekte. Eine wirklich erwürgende Nummer mit erdrückendem Charakter. Auch bei “Hearse Hand” bleibt es direkt zu Beginn Basslinelastig, dabei wird man von der verwirrenden Klangstruktur zunächst nicht allzu schnell schlau. Die Drumspur scheint recht spontan mit Elementen um sich zu schießen während schwurbelnde Vocals im Reverb verhallen. Eine sehr experimentelle Nummer, die nur schwer greifbar ist jedoch weiter auf dem Skinny Puppy-Zug aufgesprungen bleibt. Stark noisig beginnt dahingegen “Sewicide”. Harte Vocals wie bei Chrysalide und eine verstörende Geräuschrhythmik stehen dabei im Vordergrund. Diese verrauschte Klangvielfalt tritt im Laufe des Songs vermehrt in den Vordergrund und schwurbelnd auf unterschiedlichen Ebenen in Erscheinung. Die Aufnahme klingt recht spontan, die Umsetzung von starkem Seelenschmerz umhüllt. Etwas treibender und nach vorne schreitender klingt “Exterminism”, dieser Song ist tanzbarer umgesetzt und etwas besser abgemischt. Die Drums sind hier äußerst gelungen und bringen vor Allem die Snare stark zur Geltung. Die Vocals bleiben weiterhin verzerrt, fallen dabei jedoch flüsternder aus und weniger brachial. Eine sehr rhythmische Nummer, die gut in die Ohren geht. Einlaufende Noises & Glitches fallen hier nicht negativ auf. Eine TR-8 ist bei “Naked Fear” von Beginn an wunderbar zu hören. Wavig kommen noch einige melodiöse Klangpads und Basssynths hinzu. Der verhallende Delay-Effekt in den Vocals wirkt äußerst imposant, ebenso klingt dieser Song abermals erfrischend anders zu vorherigen Songs und sorgt dafür, dass man Atropine nicht einfach so in eine Schublade stecken kann. Freunde des langsamen Waves und der Hardware-Synthesizer kommen dabei deutlich auf ihre Kosten. Ein Song in Überlänge findet sich wieder bei dem zu Beginn verglitchten “Vein Camp”. Düstere Sprachsamples und eine tiefenlastige Sequenz sowie verstörende Vocals drängen sich dabei nach vorne. Die Drums wirken hier weniger rhythmisch und eher wie trabende Pferde. Abermals äußerst experimentell gehalten und nichts für sanfte Gemüter. Der gesamte Song verhält sich wie ein Torture Porn-Movie bei dem man am liebsten wegsehen/weghören möchte aber aus irgendeinem schier unempfindlichen Grund nicht davon weg kommt. Äußerst interessant! Nach diesem Durchzug durch den klanglichen Fleischwolf wird es zunächst bei “Forfeit” wieder etwas ruhiger und rhythmischer. Die Grundsequenz erinnert fast schon an frühe DAF-Songs was sich streckenweise mit den schreienden Dark Electro-Vocals beißt. Jedoch hat es Plastic Noise Experience oft auch nicht anders gemacht und Freunde dieses Stils könnten sich mit dem maschinellen Grundcharakter durchaus anfreunden. Eine äußerst mechanisch gehaltene Nummer, die monoton ihre Bahn zieht und nur durch dezent Klänge in Erscheinung tritt. Mit “Dream Resection” ist das zweite Drittel auch schon erreicht. Mit starkem Effektanteil und von Delay & Reverb umhüllt werden einige spacige Klänge im Hintergrund verhallend nach vorne getrieben. Erst eine dicke Bassdrum sorgt für das Eintreten in den Klangraum während flüsterhafte Vocals den Hörer schon auf Kommendes vorbereiten wollen. Erst zur Mitte hin betreten dann brachiale Bassklänge mit einer gewissen Distanz zueinander den Raum. Schwurbelnd und voller Effekte geht es dennoch schleichend weiter. Imposanter und gut gelungener Klangaufbau. “See Through” startet mit bedrohlicher Ansprache während die Bassdrum als eine Art Herzschlag vor sich hin wummert. Nachdem durch angenehme Flächen eine düstere Atmsophäre erzeugt wird gesellt sich noch eine treibende Sequenz und ebenfalls düstere Noises hinzu. Die Nummer ist recht abwechslungsreich gestaltet und beinhaltet einen hohen melodiösen Anteil. Im Klinik-Stil dümpelt der Song dann vor sich hin. Deutlich aggressiver geht “Blood Sequence” mit schneller Rhythmik zur Sache. Bereits nach kurzer Zeit nimmt dieser Oldschool EBM-Song seine volle Gestalt an. Verzerrte Vocals wie auch ein rapider Klangwechsel kommen hier gut beim Hörer an. Eine treibende Nummer, welche dennoch ihren experimentellen Anteil bewahrt und von Beginn an zu überzeugen weiß. Noisige Glitches treten hier nur dezent in Erscheinung. Spannend und mysteriös von Anfang bis Ende! Stiller und langsamer geht es mit “Destroys” zu Beginn weiter. Hier wurde auf einen starken Reverb-Anteil über alle Elemente gesetzt. Weitläufiges Bassschwurbeln und schleichende Drumpassagen stehen bei diesem Song im Vordergrund. Interessanter Klangaufbau in imposanter Abmischung. Auch “Ultra Swine” klingt wieder ziemlich anders. Die Grundstimmung bleibt düster, der Song beinhaltet jedoch auf Grund seiner Planierraupen-artigen Sequenz einen deutlich technoideren Flair und läuft straight vor sich hin. Ein Rennen um die Zeit was die flüsternden Vocals auch noch verstärken. Der Klang dringt angenehm in die Ohren und der Hörer merkt zeitweise gar nicht wie abwechslungsreich sich einzelne Klangpassagen verhalten. Durch und durch imposant ohne langweilig zu werden. Den Abschluß dieses großen Machwerks macht der deutlich verzerrtere “Sedatives”. Auch hier sind wieder Anlehnungen zu Dive zu vernehmen. Verstörende und verquere Electro-Industrial-Mischung mit starken Drum-Anteilen.

Fazit:
Ich muss zugeben schon lange kein so abwechslungsreiches Album gehört zu haben wie das von Atropine. Das italienische Duo haben mit ihrem vollbepackten Album Assailant wirklich eine starke Leistung an den Tag gelegt die sowohl Freunde von Noise, Industrial wie auch EBM gefallen könnte. Klanglich ist alles stark an die Projekte eines Dirk Ivens oder auch Skinny Puppy angelehnt. Ein brachiales Feuewerk mit gelungen düsterer Atmosphäre, jedoch wird sich wahrscheinlich nicht jeder Hörer mit den überaus stark verzerrten Vocals und Verzweiflungsschreien anfreunden können welche manchmal zu dick aufgetragen sind. Das Album ist durch und durch experimentell und originell gestaltet und abgemischt. Einzigartig in seiner Form und bereichernd für die Künstler. Reinhören lohnt sich!

Mensch-Maschinen-Musik